HLV-Interview-Reihe (Teil 1: Michael Pohl)

  04.02.2021    HLV Sportentwicklung Leistungssport
In losen Abständen möchten wir bekannte HLV-Athleten*innen zu Wort kommen lassen und von ihnen erfahren, was sie aktuell umtreibt. Im ersten Teil der Serie haben wir uns mit Sprinter Michael Pohl unterhalten – auf Abstand. Hier folgt das spannende Interview.

Michael Pohl ist einer der bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Kurzsprinter der vergangenen Jahre. Der gebürtige Frankfurter wurde 2019 deutscher Freiluftmeister über 100 Meter und konnte zahlreiche Medaillen bei Deutschen Meisterschaften sammeln. Der 31-Jährige, der seit 2018 für das Sprintteam Wetzlar startet, hat sich für unsere Fragen Zeit genommen, und das, obwohl der Hesse dieser Tage mehrere Wettkämpfe innerhalb kurzer Zeit bestreitet – auf der Jagd nach der DLV-Norm für die Hallen-EM in Torun (Polen) Anfang März. Im exklusiven HLV-Interview spricht Michael über seine aktuelle Form und sein Privileg, als nationaler Spitzensportler in der aktuellen Coronazeit an Wettkämpfen teilnehmen zu dürfen. Außerdem verrät uns der BWL-Masterstudent seine Pläne nach der Karriere als Sprinter und erklärt, weshalb er sich selbst ab sofort nicht mehr als „schnellster Hobbyläufer“ Deutschlands bezeichnet.

Hallo Michael, wir haben uns sehr gefreut, dass Du Dich direkt zur Verfügung gestellt hast, als unsere Anfrage kam. Zunächst die leider ja schon obligatorische Frage heutzutage: Wie geht es Dir – physisch und mental?

Mir geht es sehr gut, physisch sowie mental (lacht).

Du bist gut in die Hallensaison reingekommen, warst zufrieden mit Deiner Entwicklung. Wie steht es aktuell um Deine Form?

Ich bin momentan in einer guten, bis sehr guten Verfassung. Keine großen Wehwehchen und der Einstieg mit 6.73s und 6.72s empfinde ich als sehr gut. In Düsseldorf bin ich sogar 6.70s und 6.68s gerannt und normalerweise renne ich zu diesem Zeitpunkt eine 6.74-76. Ich denke und hoffe, dass ich sehr nahe an die 6.60s kommen werden.

[Anmerkung der Redaktion: Michael verbesserte seine Zeit vorgestern beim Indoor Meeting in Erfurt auf 6,65s. Die EM-Norm des DLV steht bei 6,63s]

Du möchtest Dich dieses Jahr – neben Deinem Studium – noch intensiver Deinem Sport widmen. Worauf fokussierst Du Dich und was sind Deine Ziele?

Ich habe im letzten Frühjahr, als ich erfahren habe, dass es einen längeren Lockdown geben wird und die Wettkämpfe nicht für die Weltrangliste relevant sind, meine Prioritäten auf die Uni und das Arbeiten gelegt. Ich habe einen Kurs mehr gemacht und muss echt sagen, dass das Semester sehr hart war. Es hat mich an meine Grenzen gebracht, aber es hat sich auch ausgezahlt. Seit dem Wintersemester 20/21 bin ich scheinfrei und kann mich seither voll auf meine Masterarbeit konzentrieren. Das Schreiben ist in vollem Gange, sodass ich sagen kann, ein Ende ist in Sicht. Ich habe nach dem Sommer gemerkt, dass ich nur diese eine Chance auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen habe. Deshalb habe ich mich voll und ganz auf den Beruf „Profisportler“ eingelassen und gebe alles für die sportliche Karriere. Schnellster Hobbyläufer ade!

Wann knackst du die DLV-Norm von 6,63 Sekunden für die Hallen-EM?

Spätestens bei den Deutschen Meisterschaften in Dortmund und dann hoffentlich auch mit einer Medaille.

Wie ist es aktuell um Deine Trainingsmöglichkeiten bestellt und wie sieht Dein Pensum aus?

Meine Trainingsmöglichkeiten sind sehr solide. Leider konnten wir an keinen Trainingslagern teilnehmen, aber so ist es halt. Profiathleten anderer Nationen hatten da etwas mehr Spielraum. Ich trainiere tatsächlich wieder nur vier Mal, aber diese Einheiten ziemlich intensiv. Ich merke, dass ich nicht mehr so schnell regeneriere und deshalb muss ich meinem Körper die Ruhe geben, nach der er schreit.

Wie viele Sprints unter Wettkampfbedingungen konntest Du bisher in der Halle absolvieren?

Einen im Dezember, und zwei im Januar und alle waren in Frankfurt-Kalbach. Ich bin sehr froh, dass der Bundesstützpunktleiter Frankfurt und Hessen sowas möglich machen. [Stand: 30.01.21]

Wie wichtig sind solche Läufe zur Vorbereitung auf eine Meisterschaft?

Für mich sind solche Rennen essenziell. Jeder der mich kennt weiß, dass ich über die Rennen komme und ohne wäre es etwas schlechter für mich. Ich erhalte durch die Rennen Selbstsicherheit und Ruhe.

Es sind ja nun doch einige Hallen-Meetings in nächster Zeit angemeldet worden. Welche Starts hast Du geplant? [Stand: 30.01.21]

Ich werde sehr wahrscheinlich rennen bei den Indoors in Erfurt und Dortmund, den Deutschen Meisterschaften und natürlich bei der EM in Torun (lacht).

Es ist immer wieder von der gesellschaftlichen Verantwortung des Spitzensports die Rede. Die aktuelle Situation ist für die große Mehrzahl der Sportlerinnen und Sportler gerade sehr unbefriedigend.

Empfindest Du es als Privileg, als nationaler Spitzensportler vergleichsweise gute Trainingsmöglichkeiten und dazu einige Wettkämpfe haben zu dürfen?

Ich versuche mich immer in beide Situationen hineinzuversetzen. Ich habe einige Freunde, die momentan nicht in die Halle kommen und es tut mir sehr leid für sie. Ich sehe nur, wie mir mein Kumpel Starts schickt, die er im Schnee macht. Die momentane Situation ist natürlich nicht gut, nun habe ich das Glück, trainieren zu dürfen. Im Endeffekt freue ich mich sehr, dass ich in die Halle darf und eins muss man halt sagen: Wenn ich im Sommer für Deutschland laufe – und das gegen absolut schnelle Menschen – dann muss ich konkurrenzfähig bleiben. Es wäre doch peinlich, wenn Sprinter aus den anderen Nationen an ihre Bestleistungen heranlaufen und wir drei Zehntel hinterherrennen und wir uns zum Affen machen.

Wirst Du oft auf dieses Thema angesprochen und wie gehst Du damit um?

Ich wurde schon häufiger angesprochen und ich verstehe die Gefühle, nur ich habe keinen Einfluss darauf. Ich versuche immer zu erklären, dass „wir“ spätestens in 175 Tagen gegen die schnellsten der Welt rennen und uns nicht blamieren dürfen. Es schaut dann die ganze Nation auf uns und keiner will mit Abstand der Letzte werden, oder?

Kannst Du uns bitte kurz beschreiben, wie ein Wettkampf aktuell organisatorisch für Dich aussieht – da musst Du Dich bestimmt im Vorfeld schon um einiges kümmern?

Zuerst muss du einige Selbstverpflichtungen unterschreiben, dann bekommst du gesagt, wo du dich in der Halle warmmachen darfst und auch in welchem Zeitfenster. Wenn du zur Toilette gehst, dann nur mit Mundschutz. Überall stehen Desinfektionsmittel. Und das ist nicht alles. Vor dem Wettkampf musst du einen Corona-Test machen und das negative Ergebnis musst du zum Wettkampf mitbringen. Dann musst du noch vor Ort einen Corona-Schnelltest machen, damit alles im grünen Bereich ist. Erst nach dem ganzen Prozedere darfst du in die Halle beziehungsweise ins Wettkampfhotel. Nach deinem Rennen hast du auch die Aufgabe, das Gelände relativ schnell zu verlassen. Was ich noch vergessen habe, bevor du endgültig in die Halle reinkommst, musst du einen QR-Code scannen (beim Verlassen der Halle ebenfalls) und die Wege, die du gehen darfst, sind markiert und unbedingt einzuhalten.

Das klingt nach einem detaillierten Hygienekonzept. Wie schätzt Du die bisher angewandten Konzepte ein?

Ich finde alle Vorkehrungen sehr gut und vor allem den Prozess mit dem Schnelltest. Er gibt dir eine gewisse Sicherheit, dass kein „Positiver“ in der Halle rumturnt (lacht).

Was sind eigentlich Deine langfristigen sportlichen und beruflichen Pläne?

Sportlich betrachte ich das Jahr 2021 als das wichtigste Jahr meiner Karriere. Wenn ich am Ende des Jahres richtig schnell bin, dann mach ich natürlich weiter. Nächstes Jahr sind ja die Europameisterschaften in München. Beruflich werde ich definitiv der Leichtathletik treu bleiben. Ich liebe das Umfeld und die Menschen. Ich habe bereits mit dem Bundesstützpunktleiter Frankfurt und Vertretern des HLV gesprochen. Sehr wahrscheinlich werde ich ab dem 1. Mai mit ins Boot steigen und hoffentlich Neuerungen einbringen können.

Michael, vielen Dank, dass Du Dir Zeit für uns genommen hast. Wir wünschen Dir alles Gute und weiterhin viel Erfolg beim Erreichen Deiner Ziele. Bleib gesund!

Ihr wollt noch mehr über den sympathischen Hessen erfahren? Dann schaut mal auf Michaels Instagram-Profil vorbei.

Nebenstehend findet ihr weitere aktuelle HLV-Veröffentlichungen zu diesem Thema.

 

Das Interview führte Björn Günther

erstellt von FOTOS: Jens Priedemuth

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