Eine deutsche Olympia-Medaille im Gehen über 50 Kilometer - aus hessischer Perspektive

  11.08.2021    Leistungssport Wettkampfsport

Als diesen Winter der Bundestrainer Gehen, Ronald Weigel, auf den HLV zukam mit der Idee, ob man nicht die Deutsche Meisterschaft in Frankfurt ausrichten könne, war die erste Resonanz ein großes Fragezeichen im Gesicht der Verantwortlichen. Kein Wunder, waren die spezifischen Anforderungen an eine Geher-DM doch anders als bei den üblichen Wettkämpfen, die sonst vom Verband ausgetragen werden. Gewillt die deutschen Geherinnen und Geher noch einmal mit einer maßgeschneiderten DM bestmöglich zu unterstützen und zusätzlich an „alte goldene“ hessische Geher-Zeiten anzuknüpfen (vor der Wende war Eschborn oft DM-Ausrichter) entschloss sich das HLV-Präsidium im Frühjahr die DM-Planung „anzugehen“.

Die Geher hatten bereits seit zwei Jahren mehr keine Meisterschaft auf deutschem Boden absolvieren können und das Ende des Qualifikationszeitraums für die Olympischen Spiele rückte immer näher. Zu diesem Zeitpunkt bewegte sich der Erfurter Geher Jonathan Hilbert noch weitestgehend unter dem Radar. Aufgrund der sehr spärlichen Wettkampfsituation gab es keine Möglichkeiten, sich kompetitiv zu messen. Über ein Jahr konnte Hilbert an keinem Wettkampf teilnehmen. In diesen Monaten zeigte sich jedoch Hilberts Stärke umso mehr: egal ob im Ski-Trainingslager in Balderschwang, in der südafrikanischen Sonne, an der portugiesischen Algarve oder auf Gran Canaria- mit jeder Einheit und jedem Kilometer stärkte er seinen eisernen Willen und den Ehrgeiz, bei der nächstmöglichen Wettkampfchance anzugreifen und vielleicht sogar die Olympianorm zu unterbieten. Zur Einordnung: die Bestzeit des Erfurters lag zu diesem Zeitpunkt bei 3:51:22 Stunden und damit 82 Sekunden über der geforderten Olympia-Norm.

Bei der Frankfurter DM wurde für die wenigen teilnahmeberechtigten Athleten ein Wettkampf nach Maß aufgezogen. Dazu zählten auch ein eigenes DM-Hotel direkt an der Strecke und dadurch kurze Wege sowie ein 2km Rundkurs auf dem Messegelände, um nur ein paar Dinge zu nennen. Die Ergebnisse, insbesondere der 50km Geher, bestätigten die gute Vorarbeit: 3 Athleten auf der langen 50km Diatanz und 3 Olympianormen. Jonathan setzte dem allerdings noch einmal die Krone auf und ließ anklingen, was für ein Potential in ihm steckt. Er verbesserte seine zweieinhalb Jahre alte Bestzeit um 8 Minuten, belegte zeitweise damit Platz 1 der Weltjahresbestenliste und stieß durch den Wettkampf auf dem Messegelände in die Weltspitze vor.

Das Endergebnis aus Sapporo kennen wir alle: Jonathan absolvierte einen tollen, couragierten Wettkampf und erkämpft sich am Ende eine grandiose und zugleich überraschende Silbermedaille im Gehen über 50 Kilometer - die letzte olympische Gehmedaille datiert aus dem Jahr 1992. Am Ende wurde es eine von nur drei deutschen Leichtathletik-Medaillen. Um nur eine Auswahl der Personen zu nennen, die Jonathan in Sapporo geschlagen hat: den amtierenden Weltrekordhalter, den Olympiasieger über 50km von Rio, den Weltjahresbesten (3:38 std.) und noch viele weitere. Wir sind stolz darauf, dass Jonathan die DM in Frankfurt und die hier gebotenen Bedingungen als Sprungbrett nach Sapporo nutzen konnte und dort die Sensation perfekt machte.

erstellt von Text: Niklas Richter & Fotos: Jens Priedemuth

Filter

Filter zurücksetzen