75 Jahre HLV – Die Gründung

  01.02.2022    HLV 75 Jahre HLV
Heute vor 75 Jahren, am 2. Februar 1947, mündete die Arbeit der Männer der ersten Stunde in der Gründung des Hessischen Leichtathletik-Verbandes.

WIE ALLES BEGANN

Am 27. Oktober 1945 trafen sich Dr. Max Danz, Valentin Reisdorf, Heinz Karger, Paul Ceynowa, Bruno May, Kurt Koch und Karl Breuermann in der Gaststätte Schmidt in Frankfurt zur Vorbereitung eines Fachausschusses Leichtathletik.

Mit Genehmigung der Militärregierung der USA kommt die Fachgruppe Leichtathletik im Landessportbund Hessen am 21. März 1946 zusammen. Die 30 Teilnehmer der Tagung, aus zehn hessischen Städten, wählen einen kommissarischen Fachgruppenvorstand unter dem Vorsitz von Dr. Max Danz (Kassel). Paul Ceynowa (Frankfurt am Main) wird mit der Geschäftsführung beauftragt.

Neben dem sportpolitischen Aufbau des Sports und der Fachgruppe Leichtathletik in Hessen wird der Sportbetrieb aufgenommen. Bereits am 4. August 1946 – eine offizielle Leichtathletik-Organisation gab es noch nicht – finden die 1. Hessischen Meisterschaften der Männer und Frauen im Frankfurter Waldstadion statt.

Bereits drei Wochen später ist das Frankfurter Waldstadion am 24./25. August 1946 die Austragsstätte der 1. Deutschen Meisterschaften der Männer und Frauen. Vier Titel der Meisterschaft gehen nach Hessen. Friedel Pfeiffer gewinnt die 100m, Heinz Ulzheimer die 800m, Bernd Naumann den Hochsprung und Änne Hagemann im Diskuswurf.

Am 2. Februar 1947 ist es dann soweit, der 1. Verbandstag mit der Gründung des HLV findet in Bad Nauheim statt. An dem Verbandstag nehmen 69 Teilnehmer aus 65 Vereinen teil. Zum ersten Vorsitzenden des Hessischen Leichtathletik-Verbandes wird Dr. Max Danz gewählt.

Ein Einblick in die Gründerjahre hat uns Alfred Diefenbach (HLV-Präsident von 1959 - 1978), ein Kenner der Hessischen Leichtathletik, in seinem Artikel zum 50-jährigen Jubiläum des HLV gegeben.

Auszug aus dem Artikel Fünfzig Jahre Hessischer Leichtathletik-Verband von Alfred Diefenbach (S. 31ff, In: 50 Jahre Hessischer Leichtathletik-Verband. Festschrift und Dokumentation zum Festakt des 50jährigen Bestehens des Hessischen Leichtathletik-Verbandes am 2. Februar 1997 im Frankfurter Römer.):

… Mit der Katastrophe des Deutschen Reiches, die mit der Kapitulation der Wehrmacht Anfang Mai 1945 geradezu ein Symbol erhielt, zerfiel auch die Organisation des Sports. Der Krieg hatte große Lücken in die Reihen ihrer Mitglieder gerissen – hier sei für alle toten Leichtathleten Rudolf Harbig genannt.

Zerstört waren vielfach die Hallen und Anlagen. In Frankfurt stand noch ein brauchbarer Sportplatz zur Verfügung. Das Stadion war von den Amerikanern beschlagnahmt; die dortige Halle diente als Getreidespeicher. In Kassel waren alle Anlagen so zerstört oder beschädigt, daß Wettkämpfe dort nicht durchgeführt werden konnten. So sah es auch in Darmstadt, Offenbach und Hanau aus.

Dazu schrieb Karl Grünig (Pfungstadt), der langjährige Sportwart des Landessportbundes als Augenzeuge von damals im Jahre 1971: „Es war schwer, sich heute in der Zeit der wiederhergestellten und neuentstandenen Stadien und Sportplätze eine Vorstellung von den Anfängen zu machen, die sich zwischen Bombentrichtern und Trümmern abspielten.“

Ursula Ehrhart (Kassel), die Fünfte der Deutschen Meisterschaften 1946 im Hochsprung, schilderte 1955 die Verhältnisse vom Sommer 1945: „Wir standen alle vor dem Nichts … Gestalten in dürftigen Trainingsanzügen, lebend von minimalen Rationen, machten Tempoläufe auf einem Acker, der sich einmal Aschenbahn nannte. Sie waren glücklich, daß sie zwischen den Ruinen ihren Sportplatz behalten hatten, auch wenn er von Panzern umgepflügt, von Brennholzsammlern der Tribünen und Umkleideräume beraubt war“. „Aufbruch aus den Trümmern“, schreibt Heinz Ulzheimer (Frankfurt), „und fast unüberwindliche Schwierigkeiten türmten sich auf: zerbombte Sportanlagen, unlösbare Ernährungsprobleme, keine Sportkleidung, keine Turn- oder Rennschuhe, keine Verkehrsverbindungen zu den wenigen Trainingsplätzen“.

Große seitens der Besatzungsmächte aufgerichtete Hindernisse standen am Anfang des neuen Weges. Ihre Vorstellungen und politischen Absichten bestimmten das Schicksal der Deutschen und damit auch das des Sports. Die Teilung Deutschlands, sieht man ab von den Gebieten, die die Sowjets und die Polen im Osten besetzt hatten, in zwei Staaten war das erst vor wenigen Jahren korrigierte Ergebnis. Es fand seinen Niederschlag in der Entwicklung der Organisation des Sports.

Der Kontrollrat (die Oberbefehlshaber der Streitkräfte der vier Besatzungsmächte in Deutschland) erklärte mit den NS-Organisationen auch die des Sports für ungesetzlich. Aber die Bestimmungen einschlägiger Art, wenn auch in den Zonen verschieden, wurden allmählich gelockert und die Gründung von Sportvereinen gestattet. Sie durften sich nicht politisch betätigen; ihnen war jede Übung mit militärischem Charakter untersagt. „Beim Sportfest in Höchst 1946 gestatteten die Amerikaner (ausnahmsweise) den Gebrauch einer Startpistole, und jeder „Schuß“ unseres Starters Jupp Schröder vollzog sich unter Bewachung eines USA-Korporals“ (K. Grünig); ansonsten mußte eine Klapper die Pistole ersetzen.

Gemäß der Direktive Nr. 23 des Kontrollrates sollte der Aufbau sportlicher Organisationen territorial auf Landkreise beschränkt bleiben. Ihre Gründung bedurfte der Genehmigung der örtlichen Besatz-ungsorgane, und sie unterlagen deren Aufsicht. Unter solchen Gesichtspunkten entstanden die „Sportgemeinschaften“, die „All-Sportvereine“. Mit diesen sollte der Wiederherstellung oder dem Fortbestand der bisherigen Vereine, die als „militärisch“ angesehen wurden, ein Riegel vorgeschoben werden.

Diese Bestrebungen der Alliierten brachten nicht den gewünschten Erfolg. Zahlreiche Vereine, entstanden zu einer früheren Zeit, begannen von neuem unter ihren bisherigen Namen allenthalben in Hessen. Sie knüpften an die 1933 unterbrochene Linie an, dies vielfach mit Erfolg. Eine Wiederentstehung der Verbände in der früheren Form hätte die Erneuerung eines weltanschaulichen-ideologisch zerstrittenen Sports bedeutet. Das wollte ernsthaft niemand.

Die Männer und Frauen der „ersten Stunde“ standen bei der Gründung neuer Großorganisationen vor völlig neuartigen Aufgaben. Sie konnten und wollten vielfach nicht fortfahren, wo sie 1933 aufgehört hatten. Vieles von damals erschien als überholt und nicht mehr zeitgemäß. Dem wurde Rechnung getragen durch die Gründung von „Dach“-Organisationen über den Fachverbänden mit Besonderheiten, die auf Erfahrungen der Vergangenheit beruhten. Die früheren Grenzen zwischen Turnen und Sport zeigten sich als so stark verwischt, daß die Mehrzahl der Leichtathleten in den Turnvereinen den Weg in ihre spezielle Organisation fand und sich dort den Regeln entsprechend betätige.

Das große Verdienst der Männer und Frauen, die aus den Trümmern von 1945 heraus die Grundlagen zu einem Wiederaufbau schufen, liegt in der Tatsache, daß sie den Sport und seine Organisationen heraushoben aus dem Streit der Parteien und einer allzu stark akzentuierten Zweckbestimmung durch den Staat. …

Vor diesem Hintergrund gebührt den Männern der ersten Stunde unser Dank. Sie haben den HLV gegründet und das Fundament gelegt für einen der größten Landesverbände im Deutschen Leichtathletik-Verband. Gehörten dem HLV 1947 ca. 5.000 Mitglieder an, sind es heute rund 100.000 Mitglieder.

erstellt von Klaus Schuder

Jubiläums-Partner