Sprung in eine andere Liga

  12.03.2010

Von Katja Sturm Es war der lang ersehnte Schritt auf eine andere Ebene, der Flop, von dem, wie Martin Günther sagt, jeder Hochspringer träumt. Sein Satz über 2,30 Meter bei der deutschen Hallenmeisterschaft Ende Februar in Karlsruhe katapultierte den Leichtathleten der LG Eintracht Frankfurt nicht nur zum nationalen Titel und der Hallen-Weltmeisterschaft in Doha/Katar, sondern auch in die Weltspitze. Er hat damit vor allem diejenigen überrascht, die den 23-Jährigen nach seinem jahrelangen Kampf gegen Verletzungen schon abgeschrieben hatten.

War der gebürtige Leipziger, der als Fünfjähriger mit seinen Eltern nach Südbaden umzog, unter seinem Vater im Trikot des TV Wehr äußerst erfolgreich gewesen - unter anderem wurde er 2003 Weltmeister der U18 -, geriet die Karriere mit dem berufsbedingten Wechsel nach Frankfurt vor vier Jahren ins Stocken. Einerseits musste sich der angehende Polizeikommissar erst einmal an sein neues Umfeld gewöhnen. Dann machten dem 1,88-Meter-Mann immer wieder und monatelang Verletzungen, meist kurz vor Saisonbeginn, zu schaffen. Und er musste lernen, professioneller zu arbeiten. „Ich hatte es früher relativ leicht, gute Leistungen zu bringen“, gibt Günther zu. Doch es wurde schwerer. Immer öfter musste er ungeliebte Kritik schlucken, nur allmählich sah er ein, dass „erfahrene Trainer irgendwie immer recht haben“. Trainer wie Jörg Graf. In dem in Hessen eigentlich für die Mehrkämpfer zuständigen Coach traf Günther in Frankfurt auf einen ehemaligen Kollegen seines Vaters, der auch die gleichen Trainingsprinzipien verfolgt. So verließ er 2007 die Trainingsgruppe von Günter Eisinger, dem Coach der derzeit verletzten WM-Dritten Ariane Friedrich. Im Herbst wird er zurückkehren, dann geht Graf in Rente. Günther bedauert das sehr: „Ich bin ihm dankbar, dass er so lange mit mir durchgehalten hat“, sagt der Hochspringer. Immerhin konnte er sich trotz seiner Probleme und obwohl er seine Bestleistung zwischen 2006 und 2009 nur um einen Zentimeter auf 2,24 Meter steigerte, die ganze Zeit über auf hohem Niveau halten. Das habe Mut gemacht, „aufgeben ist sowieso nicht mein Ding“. Aber richtig voran ging es nicht, und so musste sich der Dritte der deutschen Freiluftmeisterschaft im September vorerst aus dem Bundeskader verabschieden. In die aktuelle Hallensaison war er verspätet gestartet: Anfang Oktober hatte er sich noch nach monatelangen Knieproblemen an seinem Sprungbein eine Schleimbeutelfalte entfernen lassen. Von November bis Januar aber trainierte Günther erstmals seit langer Zeit verletzungsfrei und war auch mit einem guten Gefühl nach Karlsruhe gereist. 2,25 sollten dort laut Trainer Graf ein Muss, 2,28, die WM-Norm, das Ziel sein. Dass es dann sogar 2,30 wurden, damit hatte nicht mal der Sportler selbst gerechnet, „ich habe eben meinen Lauf genutzt“. Bei der Hallen-WM möchte er die Leistung bestätigen; damit hofft er, die Qualifikation am Freitag überstehen und ins Finale am Sonntag einziehen können. Allzu große Erwartungen will er aber nicht schüren: „Ich bin ja jetzt erst einmal so hoch gesprungen und muss mich in dieser Liga erst mal zurechtfinden.“ Auf jeden Fall aber will Günther sich dort etablieren. Nach der Rückkehr aus Doha werde er sich einen einwöchigen „wohlverdienten“ Urlaub nehmen. Danach wartet in Spanien das erste Trainingslager für die Freiluftsaison, deren Höhepunkt die EM Ende Juli in Barcelona darstellt. Auch dort möchte Günther wieder die deutschen Farben vertreten. Das entsprechende Nationaltrikot hat er ja schon. Gleich nach seinem großen Sprung in Karlsruhe wurden nach langer Abstinenz im Nationalteam die Maße dafür genommen. Quelle: Frankfurter Rundschau, 11. März 2010

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