Goldenes EM-Finale für die hessischen Leichtathleten in Jerusalem
Das Beste zum Schluss! Drei Medaillen, darunter zwei Titel, gab es am Finaltag der U20 Europameisterschaften in Jerusalem. Besonders das Diskuswerfen war nichts für schwache Nerven, entwickelte sich der Wettbewerb doch zu einem echten Krimi. Mittendrin in zwei Hauptrollen Curly Brown (Eintracht Frankfurt) und Milina Wepiwe (TSG Wehrheim).
Letztgenannte hatte gleich mit ihrem ersten Wurf einen echten Knaller, denn ihr Sportgerät schlug erst bei der neuen persönlichen Bestweite von 53,83 Metern auf dem Boden auf. Damit setzte sich die TSG-Technikerin an die Spitze des Feldes. Milina steigerte ihren alte Bestweite von 53,18 Meter (gleichzeitig Hessenrekord) aus dem Jahre 2022 (damals gehörte sie noch der U18 an) um 65 Zentimeter.
Die neue Marke schockte wohl die gesamte Konkurrenz, denn keine Gegnerin konnte Wepiwe bis zum fünften Durchgang von der Spitze verdrängen. Die größte Gefahr kam aus dem deutschen Lager. Lea Bork (LV 90 Erzgebirge) erzielte zum Auftakt 53,14 Meter und packte mit 53,46 m noch etwas drauf. Curly Brown (Eintracht Frankfurt), die dritte deutsche Finalistin, lag bis dahin trotz guter 52,35 Meter außerhalb der Medaillenränge. Der letzte Versuch der Adlerträgerin war dann aber der „goldene Wurf“. Der ein Kilogramm schwere Diskus flog auf überragende 53,93 Meter. Brown (noch U18) löschte damit auch Wepiwes Hessenrekord und holte sich den Titel. Für Brown war es bereits das zweite EM-Gold, nachdem sie im Vorjahr an gleicher Stelle auch schon bei den kontinentalen Titelkämpfen der U18 erfolgreich war.
Die Wehrheimerin hatte als bis dahin Führende den letzten Wurf und somit noch die Chance zur Ergebniskorrektur. Das gelang aber mit 49,71 Meter nicht. Somit gab es durch Brown und Wepiwe einen „hessischen“ Doppelsieg. Lea Bork sorgte als Dritte für einen historischen deutschen Dreifach-Triumph, den es so in der Geschichte der U20 EM noch nicht gab. Die drei Top-Werferinnen trennten am Ende lediglich 47 Zentimeter, was die Hochklassigkeit des Wettkampfes eindrucksvoll unterstreicht.
„Ich war schon ein bisschen am Zweifeln, ob das heute was wird. Ich dachte, dass meine Medaillenchancen eher niedrig sind, weil ich hier auch die Jüngste bin. Meine Familie meinte: 'Curly, mach dir keinen Kopf. Du weißt, was du kannst. Neuer Tag, neue Chance.' Dass wir beide PB geworfen haben, ist noch einmal das i-Tüpfelchen. Wir sind unglaublich happy, dass wir das Ding zusammen rocken konnten, weil wir auch schon sehr lange zusammen werfen. Jetzt heißt es nur noch: feiern und genießen. Ich dachte, ich schaffe es vielleicht noch auf den dritten Rang, aber wusste, dass ich dafür PB werfen muss. Ich habe erst gar nicht gemerkt, aber dann habe ich gehört, wie alle geschrien haben. Als ich die 53,93 Meter gesehen habe, dachte ich: Das ist doch nicht wahr“, fasst die Eintrachtlerin das Hessen-Double zusammen.
„Mein Ziel war es, PB zu werfen, und das habe ich gleich im ersten Versuch erreicht. Klar, ich war die ganze Zeit auf Rang eins, ich hätte Gold gewinnen können, aber auch Silber ist für mich richtig krass. Ich bin so stolz auf mich und ich weiß, dass das erst der Anfang ist“, berichtet Wepiwe. Für den Schützling von Adrian Ernst war es vorerst der letzte Start, denn bereits am Mittwoch geht der Flieger in Richtung Ostküste der USA. Mit der Aufnahme eines Studiums in Harvard beginnt für Wepiwe ein neuer Lebensabschnitt.
In der ersten Runde über 4x100 Meter musste das DLV-Quartett Nele Jaworski (VfL Wolfsburg), Chelsea Kadiri (SC Magdeburg), Rosina Schneider (TV Sulz) und Holly Okuku (Sprintteam Wetzlar) noch nicht „all in“ gehen, um nach 44,39 Sekunden mit klaren Vorsprung auf Frankreich (44,81 sec.) und Italien (45,02 sec.) das Final-Ticket zu lösen. Im zweiten Vorlauf deuteten die Mädels aus Großbritannien mit 44,24 Sekunden ihre Ambitionen auf den EM-Titel an. So kam es dann auch zum erwarteten Duell zwischen den beiden stärksten Mannschaften. Success Eduan, die Schlussläuferin von der Insel, rückte auf den letzten Metern Holly Okuku noch einmal dicht auf die Pelle. Doch die Hessin konnte die Attacke knapp abwehren. "Ich habe die Britin neben mir gespürt. Ich habe auf meine Stärke im fliegenden Bereich vertraut. Wir wussten, die Britinnen sind schnell, aber wir sind schneller“, jubelte Okuku, die an gleicher Stelle 2022 bereits Vize-Europameisterin der U18 über 200 Meter wurde. Am Ende war es eine ganz knappe Angelegenheit, bei der sich die DLV-Truppe in starken 43,82 Sekunden mit winzigen 0,04 Sekunden gegen die Engländerinnen durchsetzte.
Alles richtig gemacht hat Friedrich Schulze (Eintracht Frankfurt), der den Zehnkampf als Fünfter mit der neuen Bestmarke von 7698 Zählern beendete und damit zweitbester Deutscher in Jerusalem war. Die Mehrkampf-Krone setzte sich Team-Kollege Amadeus Gräber auf, der sich mit hervorragenden 8209 Punkten an die Spitze der Weltbestenliste (U20) setzte. Dahinter knackten mit neuen Landesrekorden auch noch Matthias Lasch (AUT/8052 Pkt.) sowie Andrin Huber (SUI/8009 Pkt.) die 8000er Schallmauer.
Friedrich stieg mit 11,50 Sekunden (100 m) in die EM ein, sprang dann hervorragende 7,50 Meter (PB) weit, beförderte die Kugel auf 14,36 Meter, flog bei 2,07 Metern über die Hochsprung-Latte und beendete die „erste Halbzeit“ mit 52,19 Sekunden auf der Stadionrunde. Er konnte sich am zweiten Tag mit 14,91 Sekunden (110 Meter Hürden) und 44,55 Meter (Diskus) gleich einmal über zwei neue „PB“ freuen. Die 4,60 Meter mit dem Stab bedeuteten Einstellung der Bestmarke im Freien. Schulze markierte mit dem Speer dann noch 53,50 Meter und wurde über 1500 Meter mit 4:44,88 Minuten gestoppt.
„Ich habe noch meine Schwächen, aber das war ein wirklich sehr guter Wettkampf! Es fing mit Weitsprung an, dieser krassen PB. Am zweiten Tag war mein Highlight, dass ich 44,50 Meter im Diskus geworfen habe. Das habe ich bislang nur im Training geschafft. Das jetzt auch im Wettkampf abzurufen, war schon toll. Mir ist beim Stabhochsprung ein Stab gebrochen, das hat erst mal richtig wehgetan. Im Versuch danach hatte ich Tränen in den Augen, weil es so wehgetan hat. Aber ich hab's durchgezogen! Und ich bin am Ende 4,60 Meter gesprungen. Ich bin richtig glücklich mit meiner Punktzahl. Schade ist nur, dass vier Punkte zu 7.700 fehlen. Die Leistung gibt mir viel Selbstvertrauen und viel Motivation, nächstes Jahr ist eine WM. Ich hoffe, ich bin fit“, so der Eintrachtler in seinem Jerusalem-Fazit. Ein starker Wettkampf von Schulze, der nach dem Verletzungs-Aus von Nils Gremlin (Regensburg) erst drei Wochen vor der EM ins deutsche Team gerutscht war.
Ein Mammutfeld mit 30 Läufern nahm die 5000 Meter in Angriff. Schon nach den ersten Runden war klar, dass es ein typisches Meisterschaftsrennen wird. Das Tempo war nämlich nicht sonderlich hoch. Somit fiel die Entscheidung auf den letzten 400 Meter. Hier hatte dann der Niederländer Niels Laros (14:11,82 min.) die schnellsten Beine und setzte sich gegen Jonathan Grahn (SWE/14:12,73 min.) und den Österreicher Kevin Kamenschack (14:15,02 min.) durch. Tristan Kaufhold (SSC Hanau-Rodenbach), der noch der U18 angehört, erzielte mit 14:30,71 Minuten als Elfter einen Achtungserfolg.
Mit 26 Läuferinnen war das Feld bei den Mädels nur unwesentlich kleiner. Carolina Schäfer (TG Schwalbach) absolvierte nach der Cross-EM in Turin (2022) ihren zweiten Start im Nationaltrikot. Sie hatte die zwölfeinhalb Runden als Dreizehnte in 17:09,69 Minuten abgespult. Durch Kira Weis (Gerlingen) gab es hier nach 15:50,36 Minuten (PB) eine Silbermedaille für Deutschland. An der Spitze lief Agathe Caune (LAT) mit dem neuen Meisterschaftsrekord von 15:03,85 Minuten in einer anderen Liga.