Hochschulkongress in Marburg begeistert 200 Teilnehmende mit inklusiven Konzepten und Workshops
200 Studierende, Trainer:innen und Lehrkräfte kamen zum Hochschulkongress Leichtathletik am 14. Juni nach Marburg, der vom Hessischen Leichtathletik-Verband (HLV) und dem Marburger Institut für Sportwissenschaft und Motologie in Kooperation mit den Sportinstituten der Universitäten in Darmstadt, Frankfurt, Gießen und Kassel ausgerichtet wurde. Die Veranstaltung wurde sowohl vor Ort in Marburg als auch online via YouTube-Livestream zugänglich gemacht, um eine möglichst breite Teilnahme zu ermöglichen. Ziel war es, aktuelle Themen rund um die Leichtathletik, Inklusion und Bewegungsförderung zu diskutieren, praktische Methoden zu erproben und den Austausch zwischen Wissenschaft, Vereinen und Schulen zu fördern.
Inspirierender Start: Vielfalt und Inklusion im Fokus des Kongresses
Die Eröffnung des Kongresses sowie die Moderation über den gesamten Tag übernahmen Manuel Odey, HLV-Lehrwart, und Dominic Ullrich, Vorsitzender der DLV-Jugend, im Hörsaal 201 der Philipps-Universität Marburg.
Unter dem Thema „Leichtathletik für Alle: Vielfalt als Stärke“ leitete Professor Dr. Martin Giese, Leiter des Arbeitsbereichs Bewegungs- und Sportpädagogik des Marburger Instituts, mit einem interaktiven Grundlagenvortrag zur Inklusion im Sport ein. Sein Thema „Leichtathletik und Inklusion“ stellte die Herausforderungen und Chancen der Inklusion im Sportunterricht dar. Prof. Giese führte eine interaktive Umfrage durch, bei der die Teilnehmenden ihre Assoziationen mit dem Begriff "Inklusion" teilten. Die Ergebnisse zeigten, dass viele Teilnehmer Inklusion primär mit Menschen mit Behinderungen verknüpfen. Er betonte, dass Inklusion weit über diese Definition hinausgeht und eine wertschätzende Haltung gegenüber allen unterschiedlichen Fähigkeiten erfordert. Der Vortrag regte zum Nachdenken an: Wie kann Inklusion im Sportunterricht praktisch umgesetzt werden? Giese betonte, dass eine Haltung der Wertschätzung, offene Kommunikation und gemeinsames Diskutieren mit Kindern, Jugendlichen und Eltern zentrale Bausteine sind. Er warnte vor einer Überbewertung von fachdidaktischer oder behinderungsspezifischer Expertise und forderte, die individuelle Situation und Ressourcen der Schülerinnen und Schüler in den Mittelpunkt zu stellen.
Im zweiten Vortrag des Tages stellte Kristina Isermann, HLV-Fachwartin für den Schulsport, die entscheidende Rolle der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen in der Kinderleichtathletik heraus – insbesondere im Ganztagsbetrieb. Sie betonte, wie wichtig es ist, Kinder schon früh für Sport zu begeistern und ihnen durch gezielte Kooperationen den Zugang zur Leichtathletik zu erleichtern. Ein zentrales Beispiel hierfür ist die erfolgreiche HLV-Initiative „Kinderleichtathletik-Kooperationsschulen gesucht“, die Isermann den Teilnehmenden vorstellte.
Vielfältige Praxis-Workshops im Unistadion
Nach einer kurzen Pause mit Ortswechsel starteten in zwei Phasen jeweils fünf praxisnahe Workshops im Unistadion, die von erfahrenen Dozentinnen und Dozenten der verschiedenen Universitäten angeleitet wurden.
Thomas Gebauer, Trainer der Marburger Handicap-Teams, und Volker Jennemann, Lehrer-Trainer am Gymnasium Philippinum, führten die Teilnehmenden in die inklusiven Spiel- und Übungsformen der Leichtathletik ein. Sie demonstrierten, wie Bewegungsangebote so gestaltet werden können, dass alle Kinder aktiv mitwirken. Ein Beispiel war ein modifiziertes Fangspiel mit bunten Bällen, das allen Kindern, unabhängig von ihrer körperlichen Verfassung, die Teilnahme ermöglichte. Ein weiteres Highlight war der „Memory-Lauf“, bei dem Wörter verwendet wurden, um auch sehbeeinträchtigten Kindern den Zugang zu erleichtern. Eine angehende Sportlehrerin bemerkte: „Diese Art von Aufgaben fördert nicht nur die Koordination und Teamarbeit, sondern zeigt auch, wie man im Sportunterricht auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern eingehen kann.“
Neben den Workshops zur inklusiven Leichtathletik griffen fünf weitere Dozenten in ihren Praxiskursen spannende Themen rund um die Kinder- und Jugendleichtathletik auf:
Karolina Kubusch, Lehrbeauftragte der Uni Marburg, zeigte, wie Orientierungsläufe in der Schule integriert werden können, und stellte die Verbindung von Bewegung, kognitiven Herausforderungen und digitaler Technik vor. Durch den Einsatz der App „iOrienteering“ mit QR-Codes wurde das Lauftraining teamorientiert, spannend und modern gestaltet.
Im Workshop „Speerwerfen mit der Ankyle“ griff Tarik Orliczek von der Universität Graz einen faszinierenden Forschungsschwerpunkt zur Rekonstruktion antiker Disziplinen auf – und sorgte damit für eine spannende neue Bewegungserfahrung, die den Teilnehmenden vor allem jede Menge Spaß bereitete.
Martin Jennemann präsentierte im Workshop „Springen mit dem Stab“ didaktische Ansätze zur Vermittlung dieser anspruchsvollen Disziplin. Er hob die Bedeutung von Differenzierungselementen hervor, um individuelle motorische und kognitive Fähigkeiten zu fördern. Die Teilnehmenden sammelten zahlreiche praktische Erfahrungen und erhielten wertvolle Tipps zur technischen Umsetzung.
Den Workshop „Feedback und Biofeedback in der Leichtathletik“ leitete Christofer Segieth von der Universität Gießen. Die Teilnehmenden lernten verschiedene Feedback-Methoden kennen, um ihre Technik im Weitsprung und Kugelstoßen zu verbessern. Durch praktische Übungen mit Beobachtungs- und Feedbackbögen gewannen sie wichtige Erkenntnisse zur Umsetzung technischer Elemente und erkannten, wie bedeutend eine zeitnahe Rückmeldung für die Leistungssteigerung ist.
Die Kursteilnehmenden des „Wurfparcours“ hatten bei 30 Grad Außentemperatur in der Sporthalle den angenehmsten Lernort. Workshopleiter und Sportlehrer Marko Seeg gab spannende Einblicke in eine abwechslungsreiche und bewegungsreiche Unterrichtsstunde, die sich um die leichtathletischen Würfe drehte. Er zeigte, wie vielfältige Wurfgeräte und kreative Stationen das Training bzw. den Sportunterricht bereichern können.
Abschluss, Diskussion und Ausblick
Nach zwei intensiven Workshop-Phasen auf dem Gelände des Unistadions fand der Abschluss des Kongresses im Hörsaal statt.
Dr. Christian Simon, Fachleiter Leichtathletik an der TU Darmstadt, erläuterte im dritten Vortrag des Tages die Unterschiede und Synergien zwischen High Intensity Interval Training (HIIT) und High Volume Training (HVT) im Ausdauerbereich. Die Teilnehmer erfuhren, dass HIIT besonders effektiv für die Steigerung von VO₂max, Laufökonomie und Schnelligkeit ist, während HVT vor allem für den Fettstoffwechsel und die Grundlagenausdauer bei längeren Distanzen unerlässlich bleibt. Besonders praxisnah war die Erkenntnis, dass eine clevere Kombination beider Trainingsformen – das sogenannte polarisierte Training – aktuell als das effektivste Modell gilt. Die Teilnehmenden nahmen wertvolle Impulse zur individuellen Trainingssteuerung sowie zur Balance zwischen Belastung und Regeneration mit nach Hause.
Abschließend präsentierte Manuel Odey die Forschungsergebnisse einer wissenschaftlichen Hausarbeit zum Thema „Motivation bei den Bundesjugendspielen - ein Vergleich Wettkampf vs. Wettbewerb in der Grundschule“. Dabei beleuchtete er die Vor- und Nachteile beider Varianten und regte gemeinsam mit dem DLV-Experten für die Bundesjugendspiele, Dominic Ullrich eine spannende Diskussion an. Dabei ging es um die Frage, wie die Bundesjugendspiele so gestaltet werden können, dass sie möglichst alle Kinder motivieren und einschließen. Es wurden vielfältige Vorschläge gemacht, wie mehr Team- und Bewegungsvielfalt sowie individuelle Erfolgskriterien integriert werden könnten.
Der Hochschulkongress in Marburg bot die Möglichkeit, sich intensiv mit Fragen der sportlichen Inklusion auseinanderzusetzen und gemeinsam innovative Ansätze für das Vereinstraining bzw. den Sportunterricht zu entwickeln. Die Verbindung von theoretischen Inhalten und praktischen Umsetzungen inspirierte die Teilnehmenden und bot zahlreiche Anregungen für die eigene Lehr- und Trainertätigkeit. Abschließend resümierte eine Teilnehmerin: „Der Tag hat mir gezeigt, dass Leichtathletik weit mehr sein kann als Leistung und Technik – nämlich ein Raum für Begegnung, Vielfalt und kreative Lösungen.“
Das HLV-Team bedankt sich herzlich bei den Verantwortlichen der Universität Marburg für die Ausrichtung und die großartige Organisation des Kongresses. Darüber hinaus gilt unser Dank allen Vortragenden und Workshopleitenden, deren inspirierende Beiträge das Gelingen dieser Veranstaltung erst möglich gemacht haben. Wir schätzen eure engagierte Mitwirkung sehr und freuen uns auf den nächsten Hochschulkongress Leichtathletik 2027!