Hessische Trainerpersönlichkeiten im Interview - Folge 2: Bernd Knack, Eintracht Frankfurt

  15.07.2021    Magazin HLV Sportentwicklung Trainerportrait
Als olympische Kernsportart Nummer eins wird sie immer bezeichnet – die Leichtathletik. Dennoch ist Leichtathletik auch heute noch vorrangig eine Amateursportart, die dank ehrenamtlich geführter Sportvereine mit Leben gefüllt wird. Und viele ehrenamtliche Enthusiasten helfen auch in Hessen täglich mit, die Leichtathletik in diesen besonderen Zeiten am Leben zu halten. Grund genug für den HLV, einige der Persönlichkeiten, die die hessische Leichtathletik mit ihrem Engagement seit vielen Jahren und Jahrzehnten prägen, etwas genauer vorzustellen.

Obwohl noch sehr jung, kann Bernd Knack schon umfangreiche Erfahrungen als Nachwuchstrainer in der Leichtathletik vorweisen. Auf Vereins- und Verbandsebene trägt er maßgeblich dazu bei, junge Leichtathletiktalente zu erkennen und zu entwickeln.

Sie gehören noch zu den jungen Trainern im hessischen Nachwuchs-Leistungssport, sind aber dennoch schon viele Jahre als Coach aktiv. Wie verlief Ihr Weg in die Trainerlaufbahn?

Eigentlich kam ich auch nur über Umwege in die Trainerlaufbahn. Früher habe ich selbst einigermaßen ambitioniert Leichtathletik betrieben. Durch zahlreiche Verletzungen sowie fehlende Perspektiven und Motivation habe ich mich recht früh dazu entschlossen, mit der Leichtathletik aufzuhören. Ich wurde dann von meinem Verein gefragt, ob ich mir nicht vorstellen könne, eine Kindergruppe zu übernehmen. Dem habe ich dann zugestimmt und habe ganz klassisch mit einer äußerst heterogenen U12/U14-Gruppe begonnen. Wie es der Zufall so wollte, habe ich dadurch eine Leidenschaft entwickelt. Mittlerweile trainiere ich eine durchaus starke U18-Gruppe und bin dort vor allem für den Mehrkampf zuständig.

Inwieweit haben Ihnen Ihre eigenen Erfahrungen als Athlet beim Einstieg ins Trainergeschäft geholfen?

Sicherlich haben mir meine Kontakte dabei geholfen. Wir haben bei Eintracht Frankfurt zahlreiche Trainer*innen, die ich gut kenne und die mir den Einstieg erleichtert haben und mir bis heute mit Rat und Tat zur Seite stehen. Ohne diese Hilfen wäre es mir sicherlich schwerer gefallen. Dafür bin ich bis heute überaus dankbar!
Ansonsten musste ich mir sehr vieles erst aneignen. Meine aktive Karriere verbrachte ich zu weiten Teilen beim TV Seckbach, einem kleinen Stadtteilverein aus Frankfurt. Persönlich habe ich fast ausschließlich Sprint und ein bisschen Weitsprung betrieben. Heute bin ich für den Mehrkampf zuständig und hatte insbesondere von den Wurfdisziplinen überhaupt keine Ahnung. Die erforderlichen Kompetenzen dafür brachte ich mir dann über die Jahre durch Literatur, Hospitationen, Studium und Fortbildungen selbst bei.

Was machen Sie beruflich? Gibt es eine Verbindung zwischen Ihrem hautberuflichen Job und Ihrem Hobby Leichtathletik?

Derzeit bin ich im pädagogischen Vorbereitungsdienst (oder auch Referendariat) für das Lehramt an Gymnasien an der Carl-von-Weinberg-Schule in Frankfurt. Ich habe die Fächer Sport und Politik & Wirtschaft studiert. Dementsprechend sind Verbindungen zwischen meinem Beruf und dem Hobby nicht ganz von der Hand zu weisen. Insbesondere durch mein Sportstudium konnte ich vieles über Trainings- und Bewegungswissenschaften, Sportmedizin oder auch Methodik und Didaktik lernen, wovon ich im Trainingsalltag enorm profitiere. Dennoch ist der Sportunterricht mit zum Teil 30 äußerst heterogenen Schüler*innen nicht mit dem Training einer Leistungssportgruppe zu vergleichen. Das fängt bereits mit der Motivation an und hört mit den motorischen Fähigkeiten auf.

Ein solch hohes Engagement als Trainer neben dem Beruf erfordert viel Zeit und Enthusiasmus. Wie motivieren Sie sich selbst immer wieder aufs Neue?

Diese Frage ist für mich sehr leicht zu beantworten. Meine Motivation ist einzig und alleine meine Gruppe. Ich habe für mich schon immer feststellen können, dass ich die Trainerlaufbahn nicht eingeschlagen habe, um mich selbst zu profilieren oder in den Vordergrund zu stellen, sondern vielmehr um meine Kinder bei ihrer sportlichen sowie persönlichen Entwicklung zu unterstützen und zu fördern.
Natürlich muss ich dafür auch Einschnitte in Kauf nehmen, und ich würde lügen, wenn ich sage, dass ich nicht auch die trainingsfreie Zeit genieße. Sobald ich dann aber auf dem Platz bin und sehe, wie motiviert und ambitioniert die Athleten*innen trainieren, vergesse ich ganz schnell, welche Opfer ich dafür aufbringe. Ganz im Gegenteil: Diese Opfer bringe ich dann sogar gerne. Außerdem ist es ein wunderbarer Ausgleich, mit seinen Trainerkollegen*innen, die mittlerweile zu Freunden geworden sind, auf dem Platz zu stehen und zu Wettkämpfen oder in Trainingslager zu fahren.

Welche Funktion bzw. Funktionen übernehmen Sie innerhalb der Leichtathleten von Eintracht Frankfurt?

Seit letztem Jahr bin ich – neben meiner Trainertätigkeit – Teil des neu gewählten Vorstands von Eintracht Frankfurt Leichtathletik. Dort bin ich Jugendleiter und dementsprechend – mit meiner Kollegin Marianne Bechmann zusammen – für die Koordination des Schüler- und Jugendbereichs zuständig, aber natürlich auch stimmberechtigt, was die Gesamtstruktur des Vereins bzw. der Abteilung angeht.

Und übernehmen Sie mittlerweile auch Aufgaben für den Hessischen Leichtathletik-Verband?

Tatsächlich wurde mir in den letzten Jahren immer mal wieder die Ehre zuteil, für den HLV arbeiten zu dürfen. Neben dem TSP-Kader (vormals E-Kader), den ich einige Jahre in Frankfurt betreute, habe ich im Winter letzten Jahres meine erste Fortbildung im Bereich „Entwicklung von der KiLa zum Grundlagentraining“ halten dürfen.
Daneben bin ich aktuell Teil eines Teams, das eine Art Sichtungswettkampf vorbereitet, worauf man sich auf jeden Fall freuen darf!

Was waren für Sie bisher Ihre schönsten Momente und größten persönlichen Erfolge als Trainer?

Einen schönsten Moment zu nennen, fällt mir tatsächlich schwer. Ich finde es immer wieder aufs Neue schön zu sehen, mit welchem Ehrgeiz und Willen junge Menschen diesen Sport betreiben, gerne ins Training kommen und zeitgleich selbst deren sportliche und persönliche Entwicklung zu verfolgen und unterstützen zu können.

Neben mittlerweile unzähligen Hessenmeistertiteln und Platzierungen in Einzel-, Block- oder Mehrkampfmeisterschaften, Endkampfplatzierungen bei Deutschen und Süddeutschen Meisterschaften möchte ich jedoch einen Moment hervorheben, der mir in besonderer Erinnerung geblieben ist und auch schon einige Jahre zurückliegt: Im Jahre 2015 ist meine damalige Athletin Merle Hellwig Süddeutsche Meisterin im Speerwerfen der U16 geworden, womit im Vorhinein wirklich niemand gerechnet hätte. Der Wettkampf verlief zu Beginn überhaupt nicht nach Plan, dennoch blieb sie hochkonzentriert und motiviert und wuchs dann im Verlauf des Wettkampfs über sich hinaus und konnte schlussendlich den Titel gewinnen. Das war damals der erste „große“ Erfolg in meiner Trainerkarriere.

Was haben Sie sich für Ihre eigene Entwicklung als Trainer und für die sportlichen Entwicklungen der von Ihnen betreuten Sportler für die nächsten drei bis fünf Jahre vorgenommen?

Persönlich möchte ich mich immer weiterentwickeln, was sowohl fachliche als auch methodisch-didaktische Kompetenzen betrifft. Ich sehe mich auch nicht als „fertigen“ Trainer, sondern auch ich lerne mit jeder Trainingseinheit dazu. Auch, wenn ich schon einige Jahre dabei bin, habe ich bisher überwiegend im U14/U16-Bereich gearbeitet. Das Training im Jugendbereich ist dann noch mal eine Umstellung für mich gewesen.
Ansonsten möchte ich den eingeschlagenen Weg mit meiner Trainingsgruppe gerne auch weiterhin gehen und schauen, welche Möglichkeiten in der Zukunft noch zu verwirklichen sind. Ich habe das Privileg, eine Gruppe betreuen zu dürfen, die fast ausschließlich aus Kadersportlern besteht und in der viele das Potential haben, in der Zukunft bei deutschen Meisterschaften „oben“ mitzuspielen.

Langfristige Ziele sind sicherlich, mal eine/n eigene/n Deutschen Meister*in zu trainieren oder einem Athlet*in zu einem internationalen Einsatz zu verhelfen. Da werde ich hier aber sicherlich keine Namen nennen, um nicht unnötig Druck auf irgendwen aufzubauen. Diese Ziele und Visionen besprechen wir intern. :)

Sie betreuen vorrangig Sportler der Altersklassen U16 und U18. Dies ist ein besonderes, ein durchaus schwieriges Alter in der Persönlichkeitsentwicklung junger Menschen. Wie gehen Sie bei Krisen, Problemen mit Ihren Sportlern um?

Ehrlich gesagt, werde ich mit dieser Frage sehr häufig konfrontiert. Insbesondere von Eltern, die dann mit einem Augenzwinkern sagen: „Wie hälst du es eigentlich mit diesen ganzen pubertierenden Kindern aus?“ Ich empfinde dies keinesfalls als Belastung. Ich pflege zu meinen Athleten*innen einen sehr offenen Austausch und Dialog, was dazu führt, dass die Kinder sich mir anvertrauen und auch über Probleme mit mir sprechen. Das ist für mich eine enorme Erleichterung, weil ich weiß, was die Athleten*innen bedrückt und wir dann gemeinsam an einer Lösung arbeiten können. Umgekehrt gebe ich auch einiges Persönliches von mir preis, damit die Kinder wissen, woran sie sind und einschätzen können, warum ich mal schlechte Laune habe oder genervt bin.

Um auf die Eingangsfrage zurückzukommen: Wie gehe ich mit Krisen oder Problemen um? Reden! Probleme offen ansprechen und gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Es kam auch schon vor, dass Athleten*innen zu mir kamen und gesagt haben, was sie an mir oder am Training stört. Wir haben uns dann zusammengesetzt, die Dinge besprochen und eine für alle zufriedenstellende Lösung gefunden.

Gibt es eine Trainingsphilosophie, ein Trainingssystem, an der / an dem Sie sich orientieren?

Sicherlich habe ich meine eigene Trainingsphilosophie, aber es gibt kein System, was ich kopieren oder imitieren möchte. Wie schon eingangs erwähnt, hatte und habe ich die Chance, von vielen etablierten und erfahrenen Trainern*innen zu lernen und baue mir so mein ganz eigenes System oder Stil auf.

Daneben bin ich der Meinung, dass es „das Konzept“ auch nicht gibt. Die Sportler*innen sind alle so individuell und verschieden, dass ganz unterschiedliche Schwerpunkte und Reize notwendig sind, um die Entwicklung voranzutreiben.
Ein Schwerpunkt meines Trainings ist allerdings in jedem Fall die Grundschnelligkeit. Darauf lege ich großen Wert, da sie meines Erachtens die Basis für fast alles in der Leichtathletik und insbesondere im Mehrkampf ist.
Ansonsten ist mir wichtig, dass die Athleten*innen ein klares Technikleitbild vermittelt bekommen und dieses auch verstehen und verinnerlichen. Dafür nehme ich auch gerne in Kauf, wenn die absolute Leistung für ein paar Wochen mal nachlässt. Es bringt nichts, wenn etwas Falsches etabliert oder erlernt wurde, was langfristig die Leistung schmälert oder sogar zu Verletzungen führen kann.
Mit Sicherheit mache ich auch Fehler oder merke bei einer Übung oder Trainingseinheit, dass das jetzt doch nicht das ist, was ich eigentlich bezwecken wollte. Ich denke, dass ein gesundes Maß an Selbstkritik und Selbstreflexion zum Trainingsalltag eines Trainers*in dazugehört, ihn/sie auszeichnet und auch stärker werden lässt.

Das Interview führte Robert Schieferer.