90. Geburtstag von Ilse Bechthold: Eine Karriere für die Gleichstellung der Frauen

  17.11.2017    HLV

Wer über Ilse Bechthold recherchiert und schließlich all die Ehrungen vor Augen hat, die ihr zuteilwurden, ist mehr oder weniger auch verbandspolitisch aufgeklärt. Doch womöglich muss man Sportfunktionär (gewesen) sein, um all dies einordnen zu können: die Women and Sport Trophy und den Olympischen Orden des IOC, die IAAF-Veteranennadel und die Würdigung als Alice Profé-Preisträgerin; weitaus geläufiger sind natürlich das Bundesverdienstkreuz, der DLV-Ehrenring, der Carl-Diem-Schild, der Hanns-Braun-Preis, die Sportplakette des Landes Hessen sowie die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt. Hinter vorgehaltener Hand und eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist die Anmerkung der Grand Dame der deutschen Leichtathletik, wie sie zumeist genannt wird, dass sie nicht mehr in allen Details weiß, welche Auszeichnungen sie bekommen hat. Was überhaupt nichts mit ihrem Alter zu tun hat, obwohl Ilse Bechthold am Samstag, 18. November, ihren 90. Geburtstag feiert.

Denn sie ist geistig nach eigener Aussage sehr präsent. Und auch körperlich wieder in besserer Verfassung nach drei Operationen in vier Jahren am rechten Schenkelhalsknochen. Doch womöglich ist es in ihrem Alter nicht mehr ganz so wichtig, welche Urkunden, Plaketten, Trophäen und Medaillen sich angesammelt haben. Und auch an ihrem 90. Geburtstag ist es so, wie es immer war in ihrem Leben: Die ehemalige Feldhandballerin, Diskuswerferin und Kugelstoßerin ist mittendrin im Sportgeschehen. Als Ehrenpräsidentin von Eintracht Frankfurt besucht Ilse Bechthold fast jedes Bundesliga-Heimspiel der SGE, als stellvertretende Leichtathletik-Abteilungsleiterin ist sie genauso ins Tagesgeschäft involviert wie in ihren Ämtern als Kuratoriumsmitglied der Stiftung Hessische Sporthilfe und als Vorstandsmitglied der Frankfurter Sportstiftung. Damit muss aber jetzt Schluss sein mit den Aufzählungen.

Wer sich mit Ilse Bechthold unterhält, und der Autor hat dies kürzlich getan in ihrem Stamm-Cafe Graff in Frankfurt-Rödelheim, bekommt auf jede Frage eine Antwort. Nur mit ihren Leistungen als aktive Leichtathletin hält sie hinter dem Berg, weicht vom Thema ab, das bleibt im Ungefähren. Darüber, so der Eindruck, mag sie nicht sprechen. Womöglich, um sich nicht dem Vorwurf des Eigenlobs aussetzen zu müssen. Dabei stehen alle wichtigen Fakten in der Broschüre „50 Jahre Hessischer Leichtathletik-Verband“. Es waren zwei Einsätze im Nationaltrikot, neun Endkampf-Teilnahmen bei deutschen Meisterschaften, insgesamt 13 hessische Titel im Diskuswerfen und Kugelstoßen. Ihr Idol ist Tilly Fleischer aus Frankfurt gewesen, die Speerwurf-Olympiasiegerin von 1936.

Wer über Ilse Bechthold spricht, kommt an ihrer Zeit als DLV-Frauenwartin (1969 bis 1975) und DLV-Vizepräsidentin (1975 bis 1993) nicht vorbei. Vorsitzende des IAAF-Frauenkomitees ist sie auch gewesen. Ilse Bechthold zu würdigen heißt vor allem, ihre Verdienste um die Gleichstellung der Frauen in der Leichtathletik herauszuheben. „Bis Olympia 1972 in München waren die 1.500 Meter die längste Strecke“, sagt sie. Heute ist das Portfolio ungleich größer: 400 Meter Hürden, 3.000 Meter Hindernis, 5.000 und 10.000 Meter, Marathon, Hammerwurf, Stabhochsprung - alles, was einst von männlichen Funktionären und Trainern als Überforderung bewertet wurde.

Auch den Siebenkampf hat sie mit auf den Weg gebracht, bezeichnet sich bei diesem Thema aber als „unvollendet“. Denn gekämpft hatte sie für den Frauen-Zehnkampf. Doch die „große Lösung“ wurde verhindert vom Widerspruch deutscher Trainer. Deren Argument: Wir haben schon zu wenige Siebenkämpferinnen. So blieb es beim Zehnkampf im Wettkampf-, jedoch nicht im Meisterschaftsprogramm. Nicht durchgedrungen ist sie auch 1980 mit ihrem Appell, die Olympischen Spiele in Moskau nicht zu boykottieren. Schon damals hat sie im Sinne der Athleten gesprochen. Im Gegensatz zu etlichen Politikern und anderen Funktionären.

Der Hessische Leichtathletik-Verband gratuliert Ilse Bechthold ganz herzlich zum Geburtstag!

erstellt von Uwe Martin

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