Zum Tod von Hansjörg Holzamer

  01.05.2019    Verbandsnews
Die hessische Leichtathletik trauert um Hansjörg Holzamer, der am vergangenen Sonntag im Alter von 80 Jahren in seiner Heimatstadt Heppenheim gestorben ist.

Holzamer ist der erfolgreichste Leichtathletik-Trainer aus Hessen, bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften gewannen seine Athleten insgesamt 35 Medaillen. Herausragend in Erinnerung geblieben sind Hans Baumgartner, der bei den Spielen 1972 in München im Weitsprung die Silbermedaille gewann, und der Hürdensprint-Olympiadritte von 1996, Florian Schwarthoff, dessen 13,05 Sekunden noch immer deutscher Rekord sind. Erinnerungen an einen nicht immer Bequemen, aber stets Aufrechten, der sich niemals verbiegen ließ.

Es muss 1987 oder 1988 gewesen sein, als ich von Holzamer angesprochen wurde. In der Mainzer Uni-Sporthalle, wo ich mit weiteren Sportstudenten des Hauptfachs Leichtathletik als aktiver Proband für die Doktorarbeit von Harald Schmid herhalten musste. Natürlich kannte ich Holzamer, wer kannte ihn nicht? Ob ich bei ihm trainieren möchte, er sehe Potential für 2,30 Meter. Die kurze Anfrage war eine Art Ritterschlag, was mir erst viel später bewusst wurde. Ich lehnte höflich ab. Wohl auch, weil Holzamer, damals knapp 50 Jahre alt, als Weitsprung-Coach einen exzellenten Ruf hatte, ich aber der einzige Hochspringer in seiner Gruppe gewesen wäre. Und Heppenheim in Südhessen? Da zog es mich nicht hin. Viele andere schon. Was der Oberstudienrat beim TV Heppenheim über Jahrzehnte mit seinen Athleten erreicht hat, ist kaum zu glauben.

Er war Weitsprung-Bundestrainer (1984 bis 1995), betreute aber auch den Zehnkämpfer Thorsten Dauth (8.164 Punkte/1995) und die Hürdensprinter Schwarthoff, Florian Seibold (13,62/2005) sowie Jerome Crews (13,96/2006). In der ewigen hessischen U18-Bestenliste findet sich zudem Speerwerfer Arno Tremper, der 1974 im Heppenheimer Trikot 69,14 Meter erzielte. Die Leichtathletik-Abteilung des TVH hatte Holzamer im Alter von 15 Jahren (!) gegründet. Also 1954. Später studierte er an der Frankfurter Goethe-Universität Soziologie, Geschichte, Deutsch und Bewegungslehre.

Holzamer prägte in der deutschen Leichtathletikszene eine eigene Sprint- Hürden- und Sprungschule, er verlangte Hingabe, war experimentierfreudig, Wissenschaftler und intellektueller Freigeist, optisch ein bisweilen zauseliger Typ. „Manchmal wirkte er wie ein zerstreuter Professor“, sagt sein jahrzehntelanger Wegbegleiter Günter Eisinger. Einer, der die Leichtathletik gegen alle Widerstände - auch von Funktionären - weiterbringen wollte. Und gebracht hat. Womit er sich nicht nur Freunde machte, was ihn aber herzlich wenig kümmerte.

Sportfaktisch bewertet, ist die ewige hessische Weitsprung-Bestenliste eine Art Gesamtvermächtnis von Holzamer. Mit Christian Thomas (8,21/1994), Georg Ackermann (8,21/1995), Baumgartner (8,18/1972), Hans-Peter Lott (8,09/1996), Peter Rouhi (Eintracht Frankfurt/8,00/1988), Alexander Bub (7,96/1992), Remigius Roskosch (7,79/2008) und Yannick Roggatz (7,59/2011).

Dass Holzamer auch als Schriftsteller tätig gewesen ist, dürfte weniger bekannt sein. 1978 erschien sein Buch „Jakes Traum: Der Tod des Nichtschwimmers“, 27 Jahre später „Der Flug der Libelle“.

Vom Leichtathletik-Förderverein Hessen wurde er 2004 als langjährig erfolgreicher Trainer ausgezeichnet - die Laudatio hielt Baumgartner. Jener Athlet, mit dem seine internationale Trainerkarriere begonnen hatte und der am 30. Mai seinen 70. Geburtstag feiert.

Hansjörg Holzamer wurde am Freitag, 10. Mai, auf dem Friedhof der Stadt Heppenheim beerdigt.

erstellt von Uwe Martin

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