Die Top-Drei der Männer knacken bei den Deutschen Meisterschaften im Straßengehen über 35 Kilometer die WM-Norm

  02.05.2022    Leistungssport Wettkampfsport
Christopher Linke geht mit den ausrangierten Schuhen von Langstreckler Richard Ringer zur deutschen Bestzeit

Frankfurt scheint für die Elite der deutschen Geher ein gutes Pflaster zu sein. Nachdem bereits im letzten Jahr bei der DM auf dem Messegelände einige internationale Normen purzelten, ging es in Sachen erfolgreicher Norm-Jagd auf dem Kurs rund ums ehemalige Waldstadion mit einem richtigen Kracher weiter. Auf der 35-Kilometer-Distanz blieben die drei Medaillengewinner unter dem Normwert für die WM in Eugene. Sieger Christopher Linke setzte noch einen drauf und stellte in tollen 2:29:56 Stunden auch eine neue deutsche Bestzeit auf. Der Mann im Trikot des SC Potsdam bleibt damit als erster Deutscher unter der „Schallmauer“ von 2:30 Stunden. Der Olympia-Fünfte (20 Kilometer) löste damit seinen Trainer Ronald Weigel von der Spitze des nationalen Rankings ab. Der jetzige Bundestrainer markierte im Jahr 1995 eine Zeit von 2:30:52 Stunden. Zur Info: Ab dieser Saison ersetzten die 35 Kilometer bei internationalen Wettkämpfen die bisherige Wettkampf-Distanz von 50 Kilometern.

„Wir waren ja zusammen mit den Langstrecklern in Flagstaff im Trainingslager. Dort hatte ich dann Kontakt zu Richard Ringer. Der hat mir von seinen Erfahrungen mit den neuen Schuhen mit Carbon berichtet. Das hat mich dann auch gereizt, ich wollte aber keine 250 Euro dafür ausgeben. Er hat mir dann ein paar zum Testen gegeben. Die haben dort einen 20er gut überstanden und mich dann hier zur deutschen Bestzeit über 35 Kilometer gebracht“, berichtet der 33-Jährige Potsdamer über seinen Auftritt in fremden Schuhen. Der Potsdamer hatte sich nach knapp sieben Kilometern leicht abgesetzt und war danach sein Rennen gegangen. „Ich hatte ein gutes Gefühl, obwohl mir klar war, dass es ab 25 Kilometern hart wird. Ziel war auf jeden Fall die WM-Norm. Als es damit gut aussah, konnte man ruhig an die deutsche Bestzeit denken. Nach 15 Kilometern hat mir ein Kumpel am Rande der Strecke alle fünf Kilometer den nötigen Rekord-Split durchgegeben. Das hat ja dann auch prima geklappt“, fasst Linke seinen DM-Coup zusammen. Als nächstes stehen 10 Kilometer bei einem hochklassigen Event in Madrid auf dem Programm. Dann soll noch ein 20er folgen. Bei der WM ist dann eventuell sogar ein Doppelstart angedacht.

Auf den weiteren Medaillenrängen platzierten sich in der Mainmetropole Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden/2:30:58 Stunden sowie Karl Junghannß (LC Top-Team Thüringen/2:31:36 Stunden), die beide einen großen Schritt in Richtung WM-Start machten. Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) dagegen schüttelte im Ziel enttäuscht den Kopf. Der Silbermedaillen-Gewinner (50 km) von Olympia in Tokio musste diesmal nach 2:34:35 Stunden mit der Blech-Plakette zufrieden sein.

„Nach der Team-WM im Oman wussten wir noch nicht genau, wo wir über 35 Kilometer stehen. Da war die Qualität auch noch nicht in diesem Maße vorhanden. Heute haben wir jedoch gesehen, dass die Athleten auch Richtung Weltspitze mithalten können. Wir haben Top-Leistungen über 35 Kilometer gesehen. Wer für den DLV zur WM nach Eugene fährt, wird dort sicher vorne mit dabei sein“, bilanzierte Bundestrainer Ronald Weigel.

Über die 20 Kilometer gab es ein Potsdamer Vereinsduell um den DM-Titel. Nils Brembach hatte mit 1:23:39 Stunden das bessere Ende für sich. Bei der Sieben-Kilometer-Marke verschärfte der EM-Fünfte das Tempo, löste sich von seinem Vereinskameraden und gab die Führung bis ins Ziel auch nicht mehr ab. Für Brembachs Teamkollegen Hagen Pohle zeigte die große Stoppuhr im Ziel 1:24:19 Stunden an. Dahinter klaffte dann eine größere Lücke. Es dauerte gut 20 Minuten, ehe das Podium komplett war. Nach 1:45:01 Stunden konnte sich Lokalmatador Pascal Artus (Eintracht Frankfurt) über DM-Bronze freuen. Der Frankfurter absolvierte seinen ersten 20km Wettkampf, nachdem er im vergangenen Jahr erst mit dem Gehen (wieder) angefangen hat. Auf Position dreizehn der Endabrechnung wurde Ralf Zimmermann gewertet. Der Mann vom Laufteam Kassel wurde mit 2:14:38 Stunden Vizemeister in der Alterskasse M60.

Ohne groß gefordert zu werden, tütete Saskia Feige (SC DHfK Leipzig) den DM-Titel (20 km) ein. Mit 1:35:27 Stunden war es für die Olympiateilnehmerin aus Sachsen eher ein Trainingswettkampf. „Die Zeit war ok. Hier ging es eher um den Titel. Die WM-Normen habe ich ja bereits im April erfolgreich abgehakt. Mit dem regnerischen und kühlen Wetter hatte ich keine Probleme“, fasst Feige ihren nie gefährdeten Start-Ziel-Sieg zusammen.

Als Gesamtzweite konnte Linda Betto (TuS Kelsterbach) mit 2:15:07 Stunden den Altersklassensieg in der W45 bejubeln. Ihre beiden Team-Kolleginnen Brigitte Patrzalek (2:28:32 std.) wurde DM-Dritte in der W60 und Monika Müller (2:28:33 std.) durfte in der W55 ganz oben aufs Treppchen klettern. Gleiches trifft auf Ursula Klink (TV Groß-Gerau/2:33:41 std.) bei den Seniorinnen der W75 zu.

Über die 35 Kilometer wurde Emilia Lehmeyer von der LG Nord Berlin mit 3:04:24 Stunden ihrer Favoritinnenrolle gerecht. Nach langer Verletzungspause war es ein solides Comeback, wobei zur EM-Norm für München (2:55 std.) noch ein paar Minuten fehlen.

Beim Nachwuchs der U18 standen fünf Kilometer auf dem Programm. Hier setzte sich Lara Jolie Feigl (SC Potsdam) nach 25:30 Minuten mit sechs Sekunden Vorsprung gegen Kylie Garreis (LV Vogtland) durch. Anna-Maria Gabriel (Eintracht Frankfurt) erkämpfte sich in einem erbitterten Duell mit der Erfurterin Angelina Pauline Sommer, welches bis 200m vor dem Ziel anhielt, die Bronzemedaille. Die junge Frankfurterin erringt somit in ihrer ersten Deutschen Meisterschaft direkt eine Medaille. Ihre Zeit betrug im Ziel 27:11 Minuten. Mit Tabea Kiefer (5. in 28:07 min.) war hier eine weitere Adlerträgerin im Einsatz.

Aus hessischer Sicht gab es bei den Senioren über 10 Kilometer noch reichlich Edelmetall. Britta Bauer (VfL Marburg/W35) und Peter Stolz (TV Groß-Gerau/M50) holten Gold. Mit Silber trat Liane Jörs (TV Groß-Gerau/W35) die Heimreise an. Thorsten Fern (M45), Werner Schaller (beide TuS Kelsterbach/M65), Gesa Künnemann (TV Groß-Gerau/W40) und Helmut Giebeler (SG Fronhausen/M70) hatten Bronze im Gepäck.

Ein weiteres, bemerkenswertes Ergebnis konnte Luise Brzoska im Rahmenprogramm erzielen. Die junge Athletin (W12), die ebenfalls seit letztem Jahr für die Eintracht Frankfurt startet, konnte über die 3km Distanz lange mit der späteren Siegerin Lara Ackermann (16:10 Minuten, W14, LG Vogtland) mithalten und mit einer Zeit von 16:13 Minuten den zweiten Gesamtplatz belegen. In dieser Altersklasse ist es schwierig verlässliche Bestenlisten zu finden, Aufzeichnungen der letzten 14 Jahre zu Folge bedeutet die Zeit jedoch bundesweit Platz 1 der W12 Bestenliste über die 3000m. Die schnellste bis dato zu findende Zeit liegt bei 16:57 Minuten.

 

erstellt von Text & Fotos: Jens Priedemuth