Das Europacup-Finale der Frauen 1965 in Kassel

  15.08.2022    75 Jahre HLV

Der wirklich erste Höhepunkt vergangener Tage in Sachen Leichtathletik in Hessen dürfte zweifellos das erste Europacup-Finale der Frauen am 19. September 1965 im Kasseler Auestadion gewesen sein.

Die Veranstaltung war an jenem Sonntagnachmittag keine zehn Minuten alt, da hatte es schon zwei Weltrekorde gegeben, die 20 000 Zuschauer waren begeistert. Irina Press aus der damaligen Sowjetunion stellt den Hürdenrekord über 80 Meter mit 10,4 Sekunden ein. Ihre Schwester Tamara verbesserte ihre eigene Höchstleistung im Kugelstoßen auf 18,59 Meter.

Die beiden Erfolge der Press-Schwestern waren letztendlich auch der Grundstein für den Cup-Sieg der Sowjetunion mit 56 Punkten vor der Mannschaft aus Ost-Deutschland (so wurde die frühere DDR damals genannt) mit 42 Zählern, Polen (38), der Bundesrepublik (37), Ungarn (32) und den Niederlanden (26).

Der deutsche Leichtathletik-Verband hatte für den Finaltag in Kassel Erika Pollmann (100 m), Ingrid Becker (200 m), Christine Linz (400 m), Antje Gleichfeld (800 m), Inge Schell (80 m Hürden), Helga Hoffmann (Weitsprung), Ilia Hans (Hoch), Gertrud Schäfer (Kugel), Kriemhild Limberg (Diskus) und Anneliese Gerhards (Speer) nominiert. Die Sprint-Staffel lief mit Gerlinde Beyrischen, Hannelore Trabert-Swienty, Inge Schell und Erika Pollmann.

Vor dem letzten Wettbewerb, der 4 x 100 m-Staffel, war der Kampf um Platz zwei hinter der Sowjetunion noch völlig offen. Auch die bundesdeutsche Mannschaft hatte noch Chancen. Aber das Finale wurde für das DLV-Quartett zum Trauerspiel: Erst verursachte Gerlinde Beyrischen einen Fehlstart und war beim zweiten Versuch verständlicherweise vorsichtiger. Dann lief Hannelore Trabert-Swienty zu früh los und musste abstoppen. Inge Schell ließ sich von ihr fast überlaufen und stürzte bei der Übergabe an Erika Pollmann. So blieb nur Rang sechs in der Cup-Wertung.

Der einzige Erfolg einer (Ost-)-Deutschen bei diesem Europacup sollte Hannelore Suppes hervorragender 800-m-Sieg in der Welt-Bestzeit von 2:04,3 Minuten bleiben. Die Russinnen waren mit sechs ersten Plätzen nicht zu schlagen, Polens Sprinterinnen feierten drei Siege, Ungarn gewann durch die Diskuswerferin Jolan Kleiber.

Der Kasseler Sportführer Dr. Max Danz, damals Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, hatte den Europacup im Auestadion eröffnet. Neben ihm der damalige Präsident des Internationalen Leichtathletik-Verbandes, Adrian Paulen (Niederlande).

Paulen hatte sein Domizil im damaligen Parkhotel Hessenland aufgeschlagen und vorher Max Danz nach dem Weg gefragt. „Bei der Einfahrt nach Kassel aus Richtung Warburg immer den Straßenbahnschienen nach, immer geradeaus“, soll die Antwort gewesen sein. Und so wunderten sich damals die Passanten in der Fußgängerzone der Kasseler Innenstadt über einen Pkw mit niederländischem Kennzeichen in ihrem Revier. Mit Hilfe der Polizei ist Paulen aber damals heil wieder aus der Innenstadt herausgekommen und hat das „Hessenland“ auch gefunden.

erstellt von Peter Fritschler